Bernerhofgespräch
Bürokratie
Bernerhofgespräch 2025: «Braucht die Schweizer Verwaltung einen CHief-Disruptor?»
Das Bernerhofgespräch 2025 bildete den Auftakt zum SGVW-Jahresthema «Bürokratie: nur Fluch oder auch Segen?». Vertreterinnen und Vertreter aus der Politik diskutierten unter dem Titel «Braucht die Schweizer Verwaltung einen CHief-Disruptor?»
Am 12. Mai 2025 fand im Bernerhof in Bern das traditionelle Bernerhofgespräch der Schweizerischen Gesellschaft für Verwaltungswissenschaften (SGVW) statt. Unter dem Titel «Braucht die Schweizer Verwaltung einen CHief-Disruptor?» diskutierten Nationalrätin Jacqueline Badran (SP, ZH) und Nationalrat Christian Wasserfallen (FDP, BE) über Bürokratie, Deregulierung und Innovationsdruck in der öffentlichen Verwaltung. Die Diskussion wurde von Sermîn Faki, Leiterin Inland bei CH Media, moderiert.
Zu Beginn der Veranstaltung begrüsste SGVW-Präsident und Bundeskanzler Viktor Rossi die Teilnehmenden und führte ins Thema ein. Er verwies auf die zunehmende gesellschaftliche und politische Auseinandersetzung mit Fragen der Regulierung, Effizienz und staatlichen Steuerung. In diesem Zusammenhang stellte er die Frage, ob es in die Schweizer Verwaltungen einen Chief-Disruptor, also eine koordinierende Figur oder Funktion bräuchte, die über verschiedene staatliche Ebenen hinweg administrative Komplexität abbaut.
Im Rahmen der Veranstaltung wurde ausserdem Lukas Gresch-Brunner, Generalsekretär der SGVW, verabschiedet. Seine Nachfolge tritt Susanne Kuster an.
Unterschiedliche Zugänge zur Bürokratie
In der Podiumsdiskussion wurde deutlich, dass Bürokratie je nach politischer Perspektive unterschiedlich bewertet wird. Christian Wasserfallen kritisierte, dass Verwaltungsprozesse oft stark formalisiert seien und Veränderung durch bestehende Strukturen erschwert werde. Verantwortlichkeiten seien nicht immer klar, was eine effiziente Steuerung erschwere. Zudem sei es wichtig, die Auswirkungen von Regulierungen, insbesondere für Unternehmen, frühzeitig und transparent aufzuzeigen.
Jacqueline Badran hingegen betonte, dass viele Regelungen historisch gewachsen und sachlich begründet seien. Ihre Erfahrungen in der Stadtverwaltung Zürich hätten gezeigt, dass grosse Verwaltungen komplexe Aufgaben in hoher Qualität erfüllen, etwa in Bereichen öffentlicher Verkehr, Infrastruktur oder Bildung. Die Regulierungen sei oft eine Reaktion auf konkrete Probleme oder Sicherheitsbedenken. Gleichzeitig müssten bestehende Regeln regelmässig überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.
Regulierungsdynamiken und Reformmöglichkeiten
Beide Diskutierenden führten Beispiele an, wie durch Einzelfälle oder mediale Aufmerksamkeit neue Vorschriften entstünden wie etwa im Bauwesen, im Tierschutz oder bei Sicherheitsfragen. Zugleich wiesen sie auf die bestehenden Möglichkeiten hin, Regulierungen zu überprüfen und zu überarbeiten. Dazu gehören gesetzliche Revisionen, öffentliche Vernehmlassungen oder Regulierungsfolgenabschätzungen, die bereits heute ein differenziertes Vorgehen ermöglichen.
Unterschiedliche Einschätzungen bestanden hinsichtlich der Notwendigkeit zusätzlicher Koordinationsstrukturen oder eines systematischen „Bereinigungsprozesses“ innerhalb der Verwaltung. Während Christian Wasserfallen für mehr übergeordnete Sichtbarkeit plädierte, betonte Jacqueline Badran, dass bereits heute viele gesetzliche Altlasten eliminiert und Modernisierungen vorgenommen würden.
Digitalisierung und technologische Entwicklung
Dann wurden auch Fragen der digitalen Transformation angesprochen. Christian Wasserfallen sprach sich dafür aus, technologische Entwicklungen wie Künstliche Intelligenz oder Blockchain in bestehende rechtliche Rahmenbedingungen zu integrieren, anstatt neue Spezialgesetze zu schaffen. Jacqueline Badran unterstrich den hohen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Einfluss digitaler Technologien und plädierte für eine sorgfältige Regulierung, die sowohl Risiken als auch Chancen berücksichtigt.
Weitere Themen aus dem Publikum
In der Diskussion mit dem Publikum kamen weitere Themen zur Sprache, darunter die Personalentwicklung im öffentlichen Sektor und der Handlungsspielraum von Verwaltungsmitarbeitenden. Dabei wurde unter anderem angesprochen, dass konstante Personalkosten auf Bundesebene mit wachsenden Aufgaben in Bildung, Gesundheit und staatsnahen Betrieben einhergehen. Einigkeit herrschte darüber, dass qualifizierte Fachpersonen innerhalb klarer Rahmenbedingungen möglichst selbstverantwortlich agieren können sollten.
In Bezug auf wirtschaftliche Auswirkungen von Regulierungen verwiesen beide Diskutierenden auf bestehende Verfahren, etwa die Regulierungsfolgenabschätzung oder das Unternehmensentlastungsgesetz. Gleichzeitig wurde angemerkt, dass deren Wirkung in der Praxis bislang begrenzt sei und weiter gestärkt werden müsse.

Fazit und Ausblick
Im abschliessenden Fazit betonte Lukas Gresch-Brunner, dass die Diskussion die Vielschichtigkeit des Themas eindrücklich aufgezeigt habe. Trotz unterschiedlicher Positionen zeige sich ein gemeinsames Verständnis für die Notwendigkeit regelmässiger Überprüfung von Regulierungen, für eine gezielte Vereinfachung, wo sie sinnvoll sei, sowie für den verantwortungsvollen Umgang mit bestehenden Steuerungsinstrumenten.
Das Bernerhofgespräch 2025 bildete den Auftakt zum SGVW-Jahresthema «Bürokratie: nur Fluch oder auch Segen?». Eine weitere vertiefte Auseinandersetzung folgt an der traditionellen Herbsttagung vom 30. Oktober 2025.
Die SGVW dankt allen Mitwirkenden sowie den Partnerorganisationen für die Unterstützung dieser gelungenen Veranstaltung.
Tagungspartner:
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