Finanzielle Führung der Zukunft

Die strategische Investitionsplanung

Ob in der Bildung, im Gesundheitswesen oder im Verkehr: Nur wenn Gemeinden rechtzeitig für eine genügend ausgebaute und gut unterhaltene Infrastruktur sorgen, sind sie in der Lage, ihre Aufgaben zugunsten der Bevölkerung effizient, zuverlässig und in guter Qualität zu erfüllen. Wie eine effektive Planung der dafür notwendigen Investitionen gelingen kann, wird in diesem Beitrag anhand eines Modells mit vier Reifegraden beschrieben.

15.11.23


Ein Beitrag von Jonas Banholzer

Investitionen in die Infrastruktur sind oft ein zentraler Bestandteil politischer Strategien. Gleichzeitig sind Investitionen eine wichtige Steuerungsgrösse in der Finanzpolitik, denn ihre Höhe beeinflusst unter anderem die Schuldenlast der Gemeinde stark. In diesem Spannungsfeld zwischen politisch-strategischen Bedürfnissen und beschränkten finanziellen Mitteln kommt der Investitionsplanung eine zentrale Rolle für effektives staatliches Handeln zu: Sie muss dafür sorgen, dass knappe Ressourcen strategisch sinnvoll investiert werden.

Damit die Investitionsplanung dieser Rolle gerecht werden kann, muss der Prozess mit zunehmender Grösse und Komplexität des Investitionsportfolios einen höheren Reifegrad erreichen. Nachfolgend werden die vier wesentlichen Entwicklungsstufen umschrieben. Dabei ist zu beachten, dass die Reifegrade aufeinander aufbauen, d. h. die Erfüllung eines Reifegrads bedingt die Erfüllung aller vorangehenden Reifegrade.

Reifegrad 1 – Vorausschauende Planungsinstrumente in den Fachbereichen

Grössere Investitionen haben in der Regel eine Vorlaufzeit von mehreren Jahren. Es müssen Standorte gesucht, Machbarkeiten geprüft oder Vorgehensvarianten eruiert werden. Damit die verschiedenen Bedürfnisse an die öffentliche Infrastruktur rechtzeitig in die Planung miteinbezogen werden können, müssen sie frühzeitig erkannt werden. Dafür sind vorausschauende Planungsinstrumente in den einzelnen Fachbereichen notwendig. Als typisches Beispiel hierfür kann die Bauzustandserfassung im Hoch- und Tiefbau genannt werden, in welcher Alter und Zustand einzelner Anlagenteile erfasst und Nutzungsdauern hinterlegt werden. So sind sich abzeichnende Ersatz- und Erneuerungsinvestitionen frühzeitig ersichtlich. Ein anderes Beispiel ist die Schulraumplanung: Hier werden Bevölkerungsprognosen zu Prognosen der künftigen Anzahl an Schülerinnen und Schülern und Klassen verdichtet. Unter Berücksichtigung von geltenden Schulbaustandards kann so der künftige Raumbedarf für Schule und Betreuung berechnet und in konkrete Investitionsvorhaben übersetzt werden.

Damit die fachlichen Planungsinstrumente schon früh zu einer gemeindeweiten Gesamtsicht über die anstehenden Investitionen konsolidiert werden können, ist es hilfreich, wenn der Horizont der internen Investitionsplanung über die in der Regel vierjährige Betrachtungsdauer des Finanz- und Aufgabenplans hinausgeht. In der Stadt Winterthur liegt der verwaltungsinterne Betrachtungszeitraum der Investitionsplanung beispielsweise bei zwölf Jahren.

Reifegrad 2 – Finanzieller Orientierungsrahmen

Sind die Bedürfnisse einmal erkannt und konsolidiert, braucht es für ihre Priorisierung einen finanzpolitischen Orientierungsrahmen, beispielsweise im Rahmen einer Finanzstrategie. Denn ein zu hohes Investitionsvolumen gefährdet auf Dauer das Gleichgewicht des Finanzhaushalts, weil es zu einem Anstieg der Verschuldung führen kann. Ein dauerhaft zu tiefes Investitionsvolumen gefährdet wiederum den Werterhalt der kommunalen Infrastruktur und damit die öffentliche Aufgabenerfüllung. Mit finanzpolitischen Regeln kann diesen beiden Herausforderungen begegnet werden: Für die Beschränkung der Investitionsausgaben nach oben eignen sich verschiedene Arten von Fiskalregeln. So können Investitionsplafonds in der Form von jährlichen Maximalbeträgen, Mindestanforderungen an den Selbstfinanzierungsgrad oder Vorgaben für die maximale jährliche Netto-Neuverschuldung definiert werden. Demgegenüber kann eine zu tiefe Investitionstätigkeit verhindert werden, indem ein minimaler Investitionsanteil, also der Anteil der Investitionen an den Gesamtausgaben einer Gemeinde, festgelegt wird.

Die Wirksamkeit solcher Regeln nimmt zu, je höher ihre Verbindlichkeit ist. Verbindlich sind Regeln beispielsweise, wenn sie in der Gemeindeordnung verankert sind und Sanktionsmechanismen vorgesehen sind, wenn sie nicht eingehalten werden. Da die Ausgaben für Investitionen gerade bei kleineren Gemeinden oft starke Schwankungen aufweisen, kann es sinnvoll sein, die Regeln so zu definieren, dass sie im Durchschnitt mehrerer Jahre eingehalten werden müssen.

Reifegrad 3 – Abgleich zwischen finanziellen und personellen Ressourcen

Investitionen binden neben finanziellen auch personelle Ressourcen. Viele Gemeinden machen die Erfahrung, dass oft nicht die fehlenden finanziellen Mittel, sondern das fehlende Personal zur Realisierung der Vorhaben das Investitionsvolumen limitiert. Dies führt verbreitet zu einem tieferen Realisierungsgrad der budgetierten Investitionen. Problematisch ist dabei, dass der Entscheid, welche Vorhaben effektiv umgesetzt werden und welche aus Ressourcengründen zeitlich verschoben werden, oft ohne Rücksicht auf die Dringlichkeit oder die strategische Priorität der einzelnen Vorhaben gefällt wird. Stattdessen werden die Vorhaben zum Beispiel entsprechend dem Zeitpunkt der internen Bestellung abgearbeitet, was eher zufällig und wenig strategisch ist. Entscheidend ist also, dass mit der finanziellen Planung der Investitionen auch eine Planung der personellen Ressourcen einhergeht. Wird ein Vorhaben in der Investitionsplanung platziert, muss sichergestellt werden, dass im geplanten Realisierungszeitraum entsprechende personelle Ressourcen dafür reserviert werden.

Reifegrad 4 – Fachlich und politisch fundierte Priorisierungsprozesse

Gerade in grösseren Gemeinden wird die Exekutive mit einer Vielfalt an Bedürfnissen konfrontiert, die aufgrund der beschränkten Mittel nach fachlichen und politischen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen werden müssen. Die Exekutive ist dabei auf fundierte Entscheidungsgrundlagen aus der Verwaltung angewiesen. Dazu gehören beispielsweise Antworten auf folgende Fragen:

  • Ist die Gemeinde aus gesetzlichen Gründen verpflichtet, ein Investitionsvorhaben umzusetzen?
    Beispiel: Erweiterung der Kapazitäten in der Volksschule aufgrund einer höheren Anzahl Kinder.
  • Dient ein Investitionsvorhaben direkt einem strategischen Schwerpunkt der Exekutive?
    Beispiel: Vorhaben ist Teil des Legislaturprogramms.
  • Bei Sanierungen von Strassen oder Gebäuden: Ist der Handlungsbedarf aus baufachlicher Sicht dringlich?

Manche dieser Fragen haben subjektiven Charakter, weshalb sie nicht ausschliesslich von der Antrag stellenden Verwaltungseinheit beantwortet werden sollten. In grösseren Städten kann es Sinn machen, wenn sich verwaltungsinterne Koordinationsgremien in den Fachdisziplinen mit den geplanten Investitionen auseinandersetzen und nach den Vorgaben der Exekutive Priorisierungsempfehlungen ausarbeiten. Idealerweise reduziert sich dadurch die Auswahl an Vorhaben, mit denen sich die Exekutive im Zuge der Investitionsplanung im Einzelnen auseinandersetzen muss.

Zu beachten ist, dass mit dem Näherrücken eines Planjahrs die Steuerbarkeit des Portfolios stark abnimmt. Im Budgetjahr besteht das Investitionsvolumen typischerweise zu einem grossen Teil aus Vorhaben, welche sich bereits in der Umsetzung befinden oder zumindest einen weit fortgeschrittenen Planungsstand haben. Diese Vorhaben entziehen sich in der Regel der noch priorisierbaren Masse, weil es mit hohen Kosten verbunden wäre, sie zurückzustellen oder abzubrechen. Zeichnen sich in der längerfristigen Investitionsplanung Engpässe ab, empfiehlt es sich deshalb, Vorhaben frühzeitig zu stoppen oder zeitlich zu verschieben, bevor zu viele Ressourcen für ihre Ausarbeitung aufgewendet werden.

Fazit

Eine wirksame Investitionsplanung ist das Produkt des Zusammenspiels zwischen vorausschauender Planung in den Fachbereichen, finanzpolitischen Leitplanken und funktionierenden Prozessen. Doch auch beim ausgereiftesten Prozess bleiben Entscheidungen des Verzichts im politischen Kontext sehr anspruchsvoll.


Jonas Banholzer ist Mitarbeiter im Stab des Finanzdepartements der Stadt Winterthur