Digitalisierung
Digitalisierung der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht (ESA): Beispiel einer erfolgreichen Transformation in der Bundesverwaltung
Die Eidgenössische Stiftungsaufsicht (ESA) hat lange Zeit unter Arbeitsrückständen und Aktenbergen gelitten. Nun hat sie sich in ein digitales Vorzeigeprojekt der Bundesverwaltung gewandelt. Wie wurde aus einer überlasteten Aufsichtsbehörde ein effizienter, datengetriebener Dienstleister? Der Erfahrungsbericht zum Projekt eESA zeigt die Herausforderungen, Krisen und Erfolgsfaktoren dieser Transformation – und warum ein Chatbot namens Esi nun auch Stiftungen auf Trab hält. Ein Artikel über Kulturwandel, digitalen Wandel und die Kunst, Probleme in Innovation zu verwandeln.
Ein Beitrag von Walter Scheuerer Walt, Monika Nuss und Urs Bolz[1] unter Mitwirkung von Nils Güggi und Oliver Wenger[2]
Die Eidgenössische Stiftungsaufsicht (ESA) hat im Jahr 2024 einen mehrjährigen Entwicklungsprozess zur digitalen Transformation (eESA) erfolgreich durchlaufen. Aus einer klassisch geprägten Aufsichtsbehörde ist eine digital arbeitende Aufsichtsbehörde geworden. Diese Entwicklung war mit erheblichen Herausforderungen verbunden. Der vorliegende Beitrag beschreibt die Ausgangslage, die Organisationsentwicklung und die digitale Transformation.
1. Die Eidgenössische Stiftungsaufsicht
Die Eidgenössische Stiftungsaufsicht wacht darüber, dass das Vermögen der ihr unterstellten national und/oder international tätigen klassischen Stiftungen gemäss den in den Stiftungsstatuten festgelegten Zwecken verwendet wird (Art. 84 Abs. 2 ZGB).
Zurzeit sind dies rund 5’400 Stiftungen. Die ESA wird tätig, wenn der Stiftungsrat die Stiftungsstatuten oder das geltende Recht verletzt und wenn der Stiftungsrat sein Ermessen nicht pflichtgemäss ausübt. Sie interveniert von Amtes wegen bei organisatorischen Mängeln, Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit, respektiert aber die Autonomie der Stiftung. Die ESA ist administrativ dem Generalsekretariat des Eidgenössischen Departements des Innern (GS EDI) angegliedert. Sie beschäftigt aktuell 34 Mitarbeitende (26.2 FTE).
Bis 2021 arbeitete die ESA weitgehend papiergestützt. Diese (fast) rein analoge Arbeitsweise verursachte einen hohen Verwaltungsaufwand. Der schnelle Zugriff auf relevante Informationen fehlte, die Ablage und Suche von Akten war aufwändig. Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen waren eingeschränkt und ein Controlling erschwert. Dies zeigte sich einerseits in den Büros der Mitarbeitenden, wo sich die Dossiers zu beachtlichen Papierbergen stapelten. Andererseits lagerten viele Dossiers im Keller, insbesondere wenn der Kontakt zu den Stiftungsräten nicht mehr hergestellt werden konnte («Altlasten»).
Bereits 2010 zeichnete sich ab, dass die ESA ihre Aufgaben nur noch bedingt erfüllen kann, insbesondere aufgrund des stetigen Wachstums der zu beaufsichtigenden Stiftungen und der damit verbundenen Zunahme der zu bearbeitenden Geschäfte. Die Eidgenössische Finanzkommission EFK stellte 2017 erhebliche Mängel in der Arbeitsweise der ESA sowie einen Arbeitsrückstand von rund 30 Prozent fest. Auf die Zunahme der zu prüfenden Stiftungen wurde mit einer massiven Aufstockung des Teams reagiert. Organisatorische Veränderungen und eine Standardisierung der Prozesse wurden bis zur Umsetzung des Projekts eESA nicht eingeleitet.
2. Der organisatorische Wandel
2.1. Die organisatorische Herausforderung
Bereits 2013 gab es mit 3’683 Stiftungen unter Bundesaufsicht erhebliche und deutlich erkennbare Probleme bei der Bewältigung der Arbeitslast, und die Zahl der Stiftungen unter Bundesaufsicht ist bis 2021 kontinuierlich weiter gestiegen (2021: 4’860 Stiftungen). Gleichzeitig sind die Anforderungen gestiegen, Routineaufgaben von komplexeren Vorgängen zu unterscheiden, die Kundenorientierung zu verbessern, das Wissensmanagement zu stärken und den Mitarbeitenden bessere Rotations- und Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. Die Leitung und das Team standen vor der Herausforderung, die fachliche Qualität der Arbeit zu erhalten, den gestiegenen Anforderungen an die Aufsichtstätigkeit gerecht zu werden und gleichzeitig die Effizienz und Effektivität zu steigern.
Als Reaktion darauf wurde von 2013 bis 2021 die Anzahl der Vollzeitstellen von 6,5 FTE auf 18,4 FTE erhöht, jedoch ohne Anpassung der Aufbauorganisation. Die Führung aller Mitarbeitenden – mit Ausnahme der Mitarbeitenden der Assistenz- und Organisationsdienste – wurde direkt durch die Leitung der ESA und deren Stellvertretung wahrgenommen. Hinzu kam, dass das bereits 2018 initialisierte Projekt eESA die Leitung und das Team stark forderte. Seitens der externen Projektleitung wurden hohe Anforderungen an die Mitarbeit des Fachbereichs gestellt; dies führte zu einer zusätzlichen Belastung und teilweisen Überforderung der Mitarbeitenden.
Die unzureichende Organisation des stark angewachsenen Teams, das Fehlen einer eigentlichen Strategie, der Mangel an einer standardisierten und einheitlichen Praxis sowie der Leistungsdruck, dem die Mitarbeitenden der ESA ausgesetzt waren, führten zu erheblicher Unzufriedenheit, schlechter Bewertung in Mitarbeiterbefragungen bis hin zu Burnout bei Mitarbeitenden. Nach aussen trat die ESA als Aufsichtsbehörde nur noch sehr eingeschränkt in Erscheinung, der Austausch mit den kantonalen Stiftungsaufsichtsbehörden fand praktisch nicht mehr statt.
Nachdem das Projekt eESA während längerer Zeit nicht richtig vorankam (vgl. näher Ziff. 3.1), weitgehend neben dem Team ESA positioniert war und sich stark auf Informatikfragen konzentrierte, initiierte das GS EDI im Februar 2021 ein Organisationsentwicklungsprojekt mit externer Unterstützung, um die Ambitionen von eESA zu unterstützen. Primäre Massnahmen waren die Stabilisierung der Führungs- und Personalsituation, die Einführung einer provisorischen Geschäftsleitung (Übergangsorganisation), die Bildung verschiedener Teams und die Strukturierung der Arbeiten in den Bereichen Kerngeschäft, Aufarbeitung von Altlasten sowie Zusammenarbeit mit dem Digitalisierungsprojekt eESA. Gleichzeitig wurde der Übergang zur neuen Leitung vorbereitet. Im Juni 2021 konnte mit dem Stellenantritt des neuen Leiters ESA, Nils Güggi, die Übergangsorganisation aufgelöst werden. Die bisherige Leitung der ESA konnte sich im Team in einer Expertenfunktion neu positionieren.
Die Entwicklungsgeschichte der ESA zeigt deutlich, dass die digitale Transformation nur mit und nicht als IT-Projekt «neben» den verantwortlichen Teams bewältigt werden kann. Ein erfolgreicher (digitaler) Wandel kann nur gemeinsam mit Führungskräften und Mitarbeitenden gestaltet werden. Dafür ist es entscheidend, dass die damit verbundenen Herausforderungen frühzeitig erkannt und von der verantwortlichen Führung aktiv angegangen werden.
2.2. Die inhaltliche Herausforderung
Die konkrete Ausgestaltung und die Prozesse der Aufsichtstätigkeit wurden über einen längeren Zeitraum trotz deutlich gestiegener Arbeitsbelastung nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Die «Prüfung» der Jahresrechnungen der Stiftungen wurde als Kerntätigkeit routinemässig durchgeführt. Viele Mitarbeitende arbeiteten selbständig und fokussierten sich auf einzelne Dossiers. Konzeptionelle Vorgaben zu den zu bearbeitenden Risiken, den Schwerpunkten der Fragestellungen und der notwendigen Bearbeitungstiefe fehlten weitgehend. Die Qualitätssicherung erfolgte durch Management Reviews. Diese Arbeitsweise war auch ein Grund für die Überlastung der Mitarbeitenden.
Bereits 2010 hatte sich die ESA erstmals mit der Überarbeitung des Aufsichtskonzepts befasst. So wurde im Rahmen des Berichts «Risikoorientierte Stiftungsaufsicht» eine Einteilung der Stiftungen in Kategorien mit angepasster Prüfintensität und -intervall vorgenommen und eine Liste von Filterkriterien für die risikoorientierte Aufsicht mit Entwurf eines Prüfprozesses sowie Ableitungen von Risikoprofilen erarbeitet. Diese Arbeiten wurden jedoch in der Folge nicht konsequent weiterverfolgt und stringent umgesetzt. Spätestens 2017 wurde deutlich und auch von der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) festgehalten (EFK-15570, 2017), dass eine Gesamtstrategie für die ESA notwendig ist, um nachhaltige Lösungen zu entwickeln und den Stiftungsstandort Schweiz zu schützen. Der Bericht der EFK zeigte auch auf, dass es der ESA unter anderem an einer angemessenen Risikoorientierung in ihren Aktivitäten mangelte.
Im Rahmen des Organisationsentwicklungsprojektes 2021 wurde das Thema Aufsichtskonzept wieder aufgenommen. Gewisse Routineaufgaben wurden hinterfragt und die Grundlagen für die Risikobeurteilung im Rahmen der anstehenden Digitalisierung gelegt. Im Projekt wurde zur Automatisierung eine Rule Engine entwickelt, die mithilfe eines Algorithmus Risikobewertungen vornimmt. Die Ambition, zusammen mit der digitalen Transformation auch die Aufsichtstätigkeit komplett auf eine risikobasierte Aufsicht umzustellen, wurde dann aber zugunsten der Stabilisierung des Tagesgeschäfts, der Belastbarkeit des Teams, der neuen Organisation sowie des Rollouts von eESA zurückgestellt. Diese Arbeiten sind noch nicht abgeschlossen.
3. Die digitale Transformation: Das Projekt eESA
3.1. Projekt eESA
Das Projekt eESA hat eine lange Vorgeschichte. Es begann 2010 mit einem Vorschlag des EJPD zur Präzisierung der Prüfkriterien für die Stiftungsaufsicht. In den folgenden Jahren wurden verschiedene Berichte und Studien zur digitalen Weiterentwicklung der ESA verfasst. Das konkrete Digitalisierungsprojekt «eESA» wurde schliesslich 2017 im Nachgang zum EFK-Bericht vorbereitet. Es war durch verschiedene Strategien wie die Strategie Digitale Schweiz oder die E-Government-Strategie Schweiz breit abgestützt. Das Projekt wurde damals als reines Informatikprojekt geplant.
Die Digitalisierung der ESA wurde im GS-EDI als Pilotprojekt konzipiert und soll als Vorbild für weitere Digitalisierungsprojekte dienen. Die Initialisierungsphase des Projekts startete 2018 mit der Durchführung einer Referenzstudie. Im Februar 2020 wurde schliesslich der Projektauftrag eESA formal genehmigt, welcher die Grundzüge des technischen Lösungskonzepts des Projekts beschreibt und folgende Ziele definiert:
- Umstellung der gesetzlichen Aufsichtsarbeiten auf elektronische und automatisierte Prozesse;
- Elektronische Abwicklung von formellen Geschäften und Aufsichtsmassnahmen;
- Bevorzugung von Standardlösungen und Beachtung des «once only»-Prinzips;
- Einführung einer risikobasierten Aufsicht.
Mit der Inbetriebnahme der Fachanwendung eESA im April 2022 sind die Arbeitsprozesse der ESA nahezu vollständig digitalisiert und laufen überwiegend medienbruchfrei ab.
3.2. Herausforderung «Fachbereich»
Bis März 2021 wurden die Arbeiten am «IT-Digitalisierungsprojekt» vorangetrieben, ohne dass entsprechende zusätzliche Ressourcen geschaffen wurden. Die ESA-Leitung stand vor der Herausforderung, die Anforderungen des «Digitalisierungsprojekts» an den Fachbereich zu erfüllen, ohne das Tagesgeschäft zu vernachlässigen und ohne über entsprechende Erfahrungen mit digitalen Transformationsprojekten zu verfügen. Im Projekt eESA wurden Arbeitspakete für die Fachabteilung definiert, ohne richtig abzuklären, ob und wie diese vom Fachbereich umgesetzt werden können. In Kombination mit der hohen Arbeitsbelastung, die durch das Projekt eESA noch erhöht wurde, führte dies zu einer Überforderung von Fach, Leitung und Mitarbeitenden. Die diesbezüglich mangelnde Sensibilisierung der externen IT-Projektleitung eESA verschärfte diese Problematik zusätzlich.
Erst durch einen personellen Wechsel in der Projektleitung eESA, die Zuteilung von zwei Fachmitarbeitenden ausschliesslich für Arbeiten im Projekt eESA und die externe Unterstützung im Rahmen der Organisationsentwicklung gelang es, dem Fach genügend Aufmerksamkeit, Ressourcen und Unterstützung für das Projekt der digitalen Transformation zukommen zu lassen. Mit dem Antritt der neuen Leitung ESA konnte diese Problemlage endgültig bewältig werden.
3.3. Prozessoptimierung
Eines der Hauptprobleme, mit denen die ESA zu kämpfen hatte, – bei steigender Geschäftslast – war die überwiegend papierbasierte Arbeitsmethode. Zwar wurden einige Daten bereits manuell in ein SAP-System eingegeben und digital gespeichert. Die relevanten Akten wurden jedoch in Papierform geführt. Die Korrespondenz mit den Stiftungen erfolgte überwiegend auf Papier und per Post. Dieser Postein- und -ausgang sowie die Verwaltung der Papierdossiers führten nicht nur zu wachsenden Papierbergen, sondern zwangen die Mitarbeitenden auch dazu, zeitraubende administrative Arbeiten zu erledigen, anstatt sich auf die rechtlichen Prüfungshandlungen zu konzentrieren. Diese Arbeitsweise erschwerte auch den Zugriff auf relevante Informationen und damit den Überblick erheblich. Dokumente und Daten waren weder zentralisiert noch leicht recherchierbar. Dies und häufige Medienbrüche führten zu Verzögerungen bei der Informationsbeschaffung und -weitergabe und beeinträchtigten die Qualität der Aufsicht. In der Folge wurden in Einzelfällen wichtige Aufgaben vernachlässigt. Schliesslich gab es keine standardisierten Prozesse: Jeder Fall wurde als Einzelfall betrachtet und durchlief zum Teil langwierige Genehmigungsverfahren. Insgesamt führte dies zu einer hohen administrativen Belastung des Personals und zu teilweise mehrjährigen Arbeitsrückständen und erheblichen Altlasten.
Zu Beginn wurden die bestehenden Prozesse analysiert und Verbesserungs- und Automatisierungsmöglichkeiten grob identifiziert. Anschliessend wurden in einer Vielzahl von Kurzworkshops innerhalb von drei Monaten schrittweise die Detailprozesse entwickelt. Zunächst skizzierten der Fachbereich mit der Business Analyse des Projekts eESA den jeweiligen Prozessabschnitt. Anschliessend überprüften die IT-Experten diese Skizze auf Umsetzbarkeit hinsichtlich Zeit, Kosten und Komplexität. Abschliessend wurde der geprüfte Prozess nochmals mit dem Fachbereich diskutiert und zur Umsetzung freigegeben. Dieser Vorgang wurde so lange wiederholt, bis alle Prozesse, die umgesetzt werden sollten, in ausreichender Tiefe digital beschrieben waren. Für den Fachbereich bedeutete dies neben dem Tagesgeschäft und den laufenden organisatorischen Veränderungen eine erhebliche Zusatzbelastung.
Am Ende stand eine komplette Neudefinition aller Fachprozesse der ESA. Ein wichtiges Ziel dieser Konzeptionsphase war auch die Vereinfachung der Prozesse und die Konzentration auf das Wesentliche.
3.4. IT-Systemintegration
Ein technisches Ziel des Projektes eESA war die Einführung neuer oder verbesserter Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), um Prozesse effizienter zu gestalten und innovative Lösungen zu ermöglichen. Die IKT-Innovation bestand in der Realisierung einer Verbundapplikation über mehrere IT-Systeme hinweg. Die eESA Fachapplikation wurde komplett aus Standarddiensten und Marktleistungen der bundesinternen IT-Leistungserbringer aufgebaut, die durch neue, in der Bundesverwaltung teilweise bisher nicht vorhandene Schnittstellen und Prozesse miteinander verbunden wurden.
Für eine kleine Verwaltungseinheit wie die ESA war es nicht zuletzt aus Kostengründen wichtig, sich passgenau in eine bestehende technologische Infrastruktur einzufügen, um die Digitalisierung erfolgreich umzusetzen. Leitgedanke war die medienbruchfreie Digitalisierung von Workflows über verschiedene Standardsysteme der Bundesverwaltung hinweg. Die Anbindung unterschiedlicher IT-Systeme sowie die Zusammenarbeit und Abstimmung mit verschiedenen internen und externen Dienstleistern mit jeweils unterschiedlichen Unternehmenskulturen stellten eine weitere technische und fachkulturelle Herausforderung dar.
Zentrales System der Verbundapplikation eESA ist die Geschäftsverwaltungssoftware (GEVER), in der alle Geschäftsprozesse der ESA ablaufen bzw. die ausserhalb des GEVER-Systems liegenden Prozesse der ESA orchestriert werden. GEVER ist ein IT-System, das die elektronische Bearbeitung, Verwaltung und Archivierung von Geschäftsfällen sicherstellt. Es dient für die ESA als zentrale Plattform für die Steuerung der Arbeitsabläufe und gewährleistet eine medienbruchfreie und transparente Bearbeitung aller Prozesse. Die GEVER-Software wird in der gesamten Bundesverwaltung eingesetzt, erfordert jedoch aufgrund der Vielzahl an Funktionen und Anforderungen an das System eine gewisse Einarbeitungszeit, da sie nicht immer intuitiv zu bedienen ist. Zur Unterstützung der jeweiligen Geschäftsprozesse sowie der Kommunikation mit den Stiftungen und Revisionsstellen ist das GEVER über Schnittstellen mit verschiedenen Umsystemen verbunden:
- Eine digitale Kommunikation mit den Stiftungen und Revisionsstellen erfolgt über das Kundenportal EasyGov,
- während SAP als zentrales Finanzverwaltungssystem der Bundesbehörden für die automatisierte Finanzbuchhaltung inklusive der Rechnungsstellung zu den Stiftungen zuständig ist.
- Für den Versand von Korrespondenz und Rechnungen an noch nicht im EasyGov registrierten Stiftungen wird für den automatisierten Druck und Postversand die Druckstrasse des BBL genutzt.
- Das externe Scanning Center scannt die eingehende Briefpost von dieser noch «analog» arbeitenden Stiftungen und übermittelt die digitalen Daten automatisiert an das GEVER.
- Das ESV (Elektronisches Stiftungsverzeichnis) ist ein öffentlich zugängliches Verzeichnis der Stiftungen unter Aufsicht der ESA und wird von eESA täglich aktualisiert.
Als Teil der medienbruchfreien Durchgängigkeit erfolgen auch die Datenabgleiche zwischen den Systemen automatisiert im Hintergrund. Zum Beispiel transportiert ein „SAP-Webservice“ bei neu angelegten Stiftungen die im SAP generierte Debitorennummer in die Stiftungsstammdaten des GEVER zurück, nachdem die neu angelegten Stammdaten zuvor aus dem GEVER heraus in das SAP übermittelt wurden. Bei all diesen Prozessen sind keine manuellen Eingriffe notwendig; als Arbeitsplattform für den Sachbearbeitenden dient ausschliesslich das GEVER.
Mit der Rule Engine wurde eine zentrale Komponente entwickelt, welche den Umstieg auf eine risikobasierte Aufsicht ermöglicht, in dem die Stiftungen datenbasiert in Risikoklassen eingeteilt werden. Dies gründet auf einer Analyse von rund 50 risikorelevanten Datenfeldern. Mit Hilfe eines vom Bundesamt für Statistik entworfenen Algorithmus können Risikobewertungen künftig automatisiert erfolgen. Die Rule Engine wird in der Private-Cloud-Umgebung der Bundesbehörden betrieben und befindet sich derzeit im Testbetrieb. Eine Schnittstelle zum GEVER stellt die nahtlose Integration der Ergebnisse der Rule Engine in die Geschäftsprozesse der ESA sicher. Nach der Implementierung soll sie v. a. die Präzision der Aufsicht erheblich steigern.
Die Entwicklung einer Verbundapplikation aus Standardsystemen bietet der ESA zahlreiche Vorteile. Dazu gehören Kosteneinsparungen durch vergleichsweise geringe Entwicklungs- und Wartungskosten, welche in den Lizenzgebühren enthalten sind, sowie eine schnelle Implementierung von bereits getesteten Systemen. Regelmässige Updates durch die Dienstleister der Bundesverwaltung halten die Software aktuell und sicher, während die Skalierbarkeit der Systeme ein Mitwachsen mit den Anforderungen ermöglicht. Darüber hinaus erleichtert die Kompatibilität mit anderen Systemen der Bundesverwaltung die Integration in bestehende IT-Infrastrukturen. Umfangreiche Dokumentationen, Schulungsunterlagen und ein Helpdesk erleichtern die Einarbeitung und den Betrieb. Eine breite Nutzerbasis und professioneller Support sowie die Erfüllung regulatorischer Anforderungen bieten zusätzliche Vorteile. Darüber hinaus ermöglichten die Anpassungs- und Erweiterungsmöglichkeiten der Systeme die Erfüllung spezifischer Geschäftsanforderungen der ESA.
Es gibt aber auch Nachteile. Die Erfahrung zeigt, dass die Zusammenarbeit mit vielen verschiedenen Anbietern im Projekt zu zusätzlichem Koordinationsaufwand führen und die schnelle Lösung von Problemen im späteren Betrieb erschweren kann. Die Kopplung mehrerer IT-Systeme kann zusätzliche Sicherheitslücken schaffen und zu kumulierten Lizenzkosten führen. Unterschiedliche Leistungsprofile der Systeme haben in Einzelfällen zu Integrationsproblemen und Ineffizienzen geführt, die teilweise aufwändig kompensiert werden mussten.
Trotz dieser Nachteile überwiegen die Vorteile deutlich: Der Einsatz von Standardsystemen bietet der ESA eine kostengünstige, zuverlässige und flexible Lösung, mit der sie sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren kann.
3.5. Nachvollziehbarkeit und Compliance
Die fehlende Digitalisierung war mit ein Grund für die ungenügende Übersicht über die Entscheidungen der Stiftungsaufsicht. Es war bisweilen schwierig, Entscheidungen nachzuvollziehen und Verantwortlichkeiten klar zuzuordnen. Diese Intransparenz führte nicht selten zu Unklarheiten und auch zu Fehlern, was wiederum zu Kritik an der Stiftungsaufsicht führte, insbesondere wegen des Fehlens einer einheitlichen Rechtspraxis («Unité de Doctrine»).
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, sollte die Digitalisierung gezielt genutzt werden, um die Transparenz der Entscheidungen zu erhöhen. Dabei musste gewährleistet werden, dass die Digitalisierung den geltenden rechtlichen Vorgaben und Compliance-Anforderungen entspricht. Mit dem GEVER-System der Bundesverwaltung wurde der Zugriff auf relevante Informationen erleichtert und damit die Nachvollziehbarkeit von Entscheiden wesentlich verbessert, ohne die Einhaltung der Datenschutz- und Sicherheitsstandards zu gefährden. Dabei ist zu beachten, dass die Gleichbehandlung im Verwaltungskontext von besonderer Bedeutung ist. Insbesondere beim Einsatz einer „Rule Engine“ zur automatisierten Vorprüfung von Stiftungen bzw. bei der Weiterentwicklung der ESA zu einer deutlichstärker risikobasierten Aufsicht spielt die Sicherstellung der Nachvollziehbarkeit der Beurteilungen eine zentrale Rolle.
3.6. Kultur und Change Management
Die fehlende Digitalisierung war mit ein Grund für die ungenügende Übersicht über die Entscheidungen der Stiftungsaufsicht. Es war bisweilen schwierig, Entscheidungen nachzuvollziehen und Verantwortlichkeiten klar zuzuordnen. Diese Intransparenz führte nicht selten zu Unklarheiten und auch zu Fehlern, was wiederum zu Kritik an der Stiftungsaufsicht führte, insbesondere wegen des Fehlens einer einheitlichen Rechtspraxis («Unité de Doctrine»).
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, sollte die Digitalisierung gezielt genutzt werden, um die Transparenz der Entscheidungen zu erhöhen. Dabei musste gewährleistet werden, dass die Digitalisierung den geltenden rechtlichen Vorgaben und Compliance-Anforderungen entspricht. Mit dem GEVER-System der Bundesverwaltung wurde der Zugriff auf relevante Informationen erleichtert und damit die Nachvollziehbarkeit von Entscheiden wesentlich verbessert, ohne die Einhaltung der Datenschutz- und Sicherheitsstandards zu gefährden. Dabei ist zu beachten, dass die Gleichbehandlung im Verwaltungskontext von besonderer Bedeutung ist. Insbesondere beim Einsatz einer „Rule Engine“ zur automatisierten Vorprüfung von Stiftungen bzw. bei der Weiterentwicklung der ESA zu einer deutlichstärker risikobasierten Aufsicht spielt die Sicherstellung der Nachvollziehbarkeit der Beurteilungen eine zentrale Rolle.
4. Schlussbemerkungen
Die digitale Transformation der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht stellte sich als eine vielschichtige Herausforderung heraus, die weit über technische Aspekte hinausging und insbesondere organisatorische und kulturelle Veränderungen erforderte. Ein ganzheitlicher Ansatz, der Technologie, Arbeitsweise, Entwicklung der Kompetenzen der Mitarbeitenden und Kommunikation umfasste, war letztlich entscheidend für den Erfolg. Dies zusammen mit einer engagierten, digital affinen Leitung der ESA. Bemerkenswert ist, dass das Team über den ganzen Prozess hinweg weitgehend zusammenblieb und heute – zufriedener – in völlig neuer Art und Weise digital arbeitet.
eESA bringt durch die Vereinfachung und Automatisierung von Prozessen klare Vorteile für die Stiftungsaufsicht. Die Mitarbeitenden sollen sich vermehrt auf die juristischen Kerntätigkeiten der Stiftungsaufsicht konzentrieren können. Zudem konnten das Risikomanagement und die Qualitätssicherung deutlich verbessert werden. Die digitale Arbeitsweise ermöglicht moderne Arbeitsformen inklusive Home-Office.
Die Digitalisierung bringt ebenfalls für Stiftungen und deren Revisionsstellen Vorteile mit sich. Durch die digitale Kommunikation mit der Stiftungsaufsicht über ein digitales Kundenportal wird die Bearbeitung von Anfragen durch die ESA schneller und effektiver; die Anliegen der Kundinnen und Kunden der ESA werden rascher als bisher beantwortet. Dies ermöglicht es der Aufsicht auch, sich verstärkt auf komplexe Fälle zu konzentrieren und so die Qualität der Prüfungen zu steigern. Langfristig trägt die Digitalisierung dazu bei, einen partnerschaftlicheren Austausch zwischen Stiftungen, Stiftungsverbänden und der Aufsicht zu fördern, indem sie den Dialog erleichtert und zu einer transparenteren und effizienteren Zusammenarbeit führt.
Der Entwicklungsprozess der ESA ist damit noch nicht zu Ende. Die im Rahmen des eESA-Projekts konzipierte Rule-Engine bildet die technische Basis der modernen Aufsicht. Deren Potenzial ist noch lange nicht ausgelotet. Hier kann die moderne KI noch viel mehr leisten (machine learning). Dabei werden datenschutzrechtliche und ethische Aspekte zu beachten sein. Diese Ansätze gilt es weiterzuentwickeln. Die weitere technische Umsetzung sollte jedoch durch ein Aufsichtskonzept unterlegt werden. Die Frage der zweckmässigen Ausrichtung der Aufsicht wurde zwar diskutiert und es wurden in der Praxis Optimierungen vorgenommen. Eine Verschriftlichung steht aber noch aus. Der risikobasierte Ansatz sollte weiter ausgebaut werden. Damit könnte die Wirkung der Aufsicht weiter gesteigert werden (insbesondere – dank KI – Verlagerung des heutigen hohen Personaleinsatzes in eher präventive Aufsichtsaufgaben sowie Konzentration auf komplexe oder neuartige Fälle). Im Weiteren ist mittelfristig die institutionelle Einbettung der ESA zu überprüfen. Die ESA als nationale Aufsichtsbehörde ist lediglich fachlich, nicht aber organisatorisch und administrativ unabhängig. Zudem ist die Kompetenzverteilung zwischen Leitung ESA sowie GS EDI rechtlich nicht hinreichend klar. Auch diese Fragen sollten in den nächsten Jahren noch aufgegriffen werden.
Erwähnenswert ist auch das jüngste Tool der ESA, der Chatbot «Esi». Esi beantwortet Fragen rund um die ESA, die Gründung und Verwaltung von Stiftungen bis hin zu deren Auflösung. Esi soll den Kundinnen und Kunden der ESA, in erster Linie Stiftungen und Revisionsstellen, als erste Anlaufstelle helfen, einfach und schnell Antworten zu finden. Seit dem Start des Projekts eESA 2018 hat die ESA damit einen langen und inhaltlich intensiven Weg zurückgelegt, um ein digitales Vorbild in der Bundesverwaltung zu werden. Und dieser Weg ist noch nicht zu Ende.
[1] Walter Scheuerer hat als Projektleiter das Projekt eESA von 2021 bis 2024 geleitet. Monika Nuss und Urs Bolz haben die Reorganisation der ESA 2021 bis zum Stellenantritt des neuen Leiters ESA begleitet.
[2] Das Autorenteam dankt Nils Güggi (Leiter ESA) und Oliver Wenger (Mitglied Geschäftsleitung ESA) für ihre fachlichen Beiträge und ihre Unterstützung zur Erarbeitung des vorliegenden Erfahrungsberichts. Die Verantwortung für den Inhalt liegt beim Autorenteam. Dieses konnte die Transformation der ESA zwischen 2021 und 2024 unterstützen.