Digitalisierung
Gemeinsames Ziel von DVS und eCH: Standards sollen beachtet werden
Die «Digitale Verwaltung Schweiz» soll dem E-Government Schub verleihen. Wie die neue Organisation und der Verein eCH die Standardisierung aktiver steuern und durchsetzen könnten, ist an einer Abendveranstaltung in Bern ausgelotet worden.
Ein Beitrag von Eveline Rutz, Freie Journalistin
Wer den Wohnort wechselt, bauen möchte oder Steuern zahlt, tritt mit der Verwaltung zunehmend online in Kontakt. Am Computer oder Handy lassen sich solche Pendenzen bequem erledigen.
Man ist nicht an Bürozeiten gebunden und spart sich den Weg an den Schalter. «Die Bevölkerung erwartet digitale Dienste aus einer Hand», sagte Peppino Giarritta, Präsident des Vereins eCH und Beauftragter von Bund und Kantonen für die Digitale Verwaltung Schweiz (DVS). Dies setze die Verwaltung unter Druck.
Mit einer neuen Organisation wollen Bund und Kantone die Transformation beschleunigen. Die DVS soll bestehende Kräfte bündeln sowie die politische und operative Zusammenarbeit verbessern. Ziel sei es, das Leitbild «digital first» der aktuellen E-Government-Strategie Schweiz auf allen drei Staatsebenen konsequent umzusetzen, führte Giarritta aus.
«Die DVS wird diesen Prozess steuern und koordinieren». Der E-Government-Spezialist wird die neue Zusammenarbeitsorganisation, in die auch Gemeinden und Städte eingebunden werden, leiten. Seit einem halben Jahr ist er mit den Aufbauarbeiten beschäftigt; Anfang 2022 wird der operative Betrieb starten.
Erfahrungen teilen, um voranzukommen
Die Verwaltungsstellen der eidgenössischen Departemente seien unterschiedlich innovativ, berichtete Giarritta. Einige seien in Sachen Digitalisierung schon sehr weit, andere hätten Nachholbedarf. «Es stellen sich ähnliche Fragen wie auf kantonaler Ebene», sagte Giarritta, der davor die Abteilung Digitale Verwaltung und E-Government des Kantons Zürich geleitet hatte.
Um in absehbarer Zeit mehr und bessere Online-Services anbieten zu können, müsse stärker zusammengearbeitet werden. Es zahle sich aus, Entwicklungen und Erfahrungen über Abteilungs-, Gemeinde- und Kantonsgrenzen hinweg zu teilen. «Das erfordert nach wie vor von einigen Leuten ein Umdenken.»
Die DVS wird vernetzen, inhaltliche Schwerpunkte setzen und Rahmenbedingungen festlegen. Sie wird einzelne Digitalisierungsvorhaben unterstützen und soll insbesondere dazu beitragen, dass nationale Infrastrukturen und Basisdienste entstehen. Sie soll zudem die Standardisierung und Interoperabilität fördern.
«Standards sind zentral, wenn neue Services entwickelt werden», betonte Peppino Giarritta an der Abendveranstaltung des Vereins eCH, die auch über einen Livestream verfolgt werden konnte.
Man müsse das Rad nicht immer wieder neu erfinden. Standards sorgten dafür, dass sich Innovationen in ein Ganzes einfügten. Es lohne sich daher, sie in Projekten frühzeitig zu berücksichtigen und einzufordern.
Normen werden breit abgestützt
«Ob sich eine Vereinheitlichung durchsetzt, hängt letztlich vom Markt ab», sagte Urs Fischer, CEO der Schweizerischen Normen Vereinigung (SNV). Die SNV klärt daher jeweils entsprechend gründlich ab, ob eine Norm einem breiten Bedürfnis entspricht.
Auch wenn es darum geht, die Details auszuarbeiten, bezieht sie sämtliche Anspruchsgruppen und die Öffentlichkeit ein. «Wir schliessen niemanden aus», so Fischer. «Kritiker und Konkurrenten sitzen an einem Tisch.» Diese Konsensfindung sei manchmal aufwändig, räumte der CEO ein.
Sie trage jedoch dazu bei, dass eine Norm als legitim wahrgenommen und befolgt werde. Die SNV überprüft ihre Vorgaben alle fünf Jahre; sie passt sie bei Bedarf an oder hebt sie auf.
Mit diesem oft zitierten Satz stieg Martin Rüfenacht, Vorstandsmitglied von eCH, in die Podiumsdiskussion ein. Sie drehte sich vor allem um die Frage, wie der Verein eCH und die DVS Standardisierungen künftig gemeinsam vorantreiben können.
Man müsse bestehende Standards bekannter machen, sagte Manuela Kleeb, stellvertretende Geschäftsführerin von eOperations. Wer IT-Projekte leite, müsse verbindlicher vorgeben, dass sie genutzt würden und dies auch überprüfen.
Manuela Kleeb empfahl, auch auf Software-Lieferanten zuzugehen, um sie für Standardisierungen zu sensibilisieren. «Einheitliche Lösungen sollen aus einem Bedürfnis heraus entstehen.»
Seine Kunden wüssten häufig nicht genau, welche Standards bereits existieren, sagte Lars Steffen, Berater bei der AWK Group. Informiere man sie, seien sie jedoch motiviert, Standards anzuwenden. «Sie sehen, dass man damit administrativen Aufwand sparen kann.»
Der Co-Leiter der neuen eCH-Fachgruppe Bildung sprach sich ebenfalls für mehr Koordination und Verbindlichkeit aus. Zurzeit habe jedes Departement die Kompetenz, den Datenaustausch in seinem Bereich zu regeln, kritisierte er. «Das Resultat ist ein Flickenteppich.»
DVS wirkt an neuem Vorschlag für eine E-ID mit
Die Bereitschaft, stärker zu kooperieren, sei da, sagte Peppino Giarritta. Standards müssten nicht zwingend in Gesetzen oder Verordnungen verankert werden, um beachtet zu werden.
«Viele werden einfach gelebt». Die DVS werde nicht einfach von oben herab steuern, versicherte der Beauftragte auf eine Frage aus dem Publikum. Sie sei offen für Impulse.
Die neue Organisation ist unter anderem in die Arbeiten für eine digitale Identität (E-ID) involviert. Nachdem das Stimmvolk eine private Lösung im Frühjahr abgelehnt hatte, muss ein neues Konzept aufgegleist werden. Mitte 2020 soll es vorliegen.
«Unsere Ideen kommen in der Politik gut an», sagte Giarritta und zeigte sich zuversichtlich, dass ein befriedigender Vorschlag zustande kommt. «Die DVS wird künftige Entwicklungen mitgestalten.»
Dieser Text ist im Auftrag von eCH entstanden. Der Verein eCH führt einmal jährlich eine offene Abendveranstaltung zu E-Government und Standardisierung durch. Die diesjährige Abendveranstaltung vom 22. September 2021 in Bern stand unter dem Titel «Vernetzung und Zusammenarbeit von eCH mit Digitale Verwaltung Schweiz».