Digitalisierung
Partizipation
Partizipative Legislaturprogramme mit Decidim
Ein Gedankenexperiment zur partizipativen Entwicklung von Legislaturprogrammen.
Ein Beitrag von Severin Keller und Chantal Menzi
Erste Erfahrungen mit Partizipation
Stellen Sie sich vor: Vor drei Jahren hat die Verwaltung des Städtchens «Inklusio» zum ersten Mal ein Zukunftsleitbild entwickelt. Über die Inhalte hat die Verwaltung aber nicht selbst entschieden. Sie hat die Bevölkerung und die Privatwirtschaft miteinbezogen. An mehreren Workshops haben Bevölkerung und Privatwirtschaft über die wichtigsten Themen des Städtchens diskutiert. Am Schluss resultierte das neue Leitbild «Inklusio 2025».
Weil die Resonanz bei den beteiligten Personen derart positiv war, entschied sich die Verwaltung, auch das Budget neu partizipativ zu erarbeiten. 2022 konnten Interessierte erstmals direkt Schwerpunkte im Budget setzen und gemeinsam die Zukunft des Städtchens mitgestalten.
Vollgas Richtung Mitbestimmung
Die Verwaltung möchte noch einen Schritt weitergehen. 2024 finden die nächsten Stadtratswahlen statt. Die Verwaltung von Inklusio ist sich sicher: Auch bei der Definition des Legislaturprogrammes 2024-2028 müssen Bevölkerung und Privatwirtschaft miteinbezogen werden.
Mit der partizipativen Erarbeitung des Legislaturprogrammes wird das Herzstück Inklusios in deren Sinne gestaltet. Ein partizipatives Legislaturprogramm hat den Vorteil, dass es viel breiter abgestützt ist und demokratische Legitimation geniesst. Einerseits können sich Politik, Verwaltung, Bevölkerung und Wirtschaft auf die gemeinsam erarbeiteten Programmpunkte berufen. Andererseits werden die Opportunitätskosten gesenkt, indem weniger nachträgliche Korrekturen vorgenommen werden müssen. Zuletzt können sich dank Partizipation auch diejenigen einbringen, die kein Stimmrecht besitzen, aber dennoch vom Legislaturprogramm betroffen sind.
Es bleibt nur die Frage: Wie soll die Verwaltung vorgehen?
Die Lösung: Decidim
Die Gemeindeschreiberin von Inklusio, Pia Polis, war nahm an einer Weiterbildung zum Thema Partizipation an der ZHAW teil. Frau Polis erkundigte sich bei der ZHAW nach den Möglichkeiten zur Erarbeitung eines partizipativen Legislaturprogrammes.
Eine Woche später präsentierte die ZHAW der Regierung und Verwaltung von Inklusio eine Lösung:
Der Prozess zur Erarbeitung eines Legislaturprogrammes wird mithilfe der Software Decidim digital abgebildet. Unterschiedliche Module ermöglichen es, über das geplante Vorhaben zu kommunizieren, die Möglichkeiten zur Mitwirkung aufzuzeigen und Fragen von Interessierten zu beantworten. Danach können alle Interessierten Vorschläge möglicher Themenschwerpunkte für das kommende Legislaturprogramm veröffentlichen, kommentieren und bewerten.
Die Präferenzen von Bevölkerung und Wirtschaft werden dann von der Politik und der Verwaltung in konkrete Handlungsfelder überführt. Die definierten Handlungsfelder können abschliessend wiederum von Bevölkerung und Wirtschaft kommentiert werden, um am Schluss ein passendes Legislaturprogramm verabschieden zu können.
Projektzuschlag
Die Regierung und Verwaltung Inklusios sind überzeugt, dass so das Legislaturprogramm der Zukunft entsteht. Das Vorgehen ermöglicht die Erarbeitung eines basisdemokratischen Programmes, welches aufgrund der transparenten Erarbeitung und Legitimation Opportunitätskosten vorbeugt. Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Bevölkerung sind gemeinsam für die Inhalte des Legislaturprogrammes verantwortlich und können sich stets auf diese Verantwortung berufen.
Die Regierung und Verwaltung Inklusios entscheiden sich, ihre Legislaturprogramme künftig über die Plattform Decidim gemeinsam mit ihren wichtigsten Anspruchsgruppen auszuarbeiten.
Severin Keller ist wissenschaftlicher Assistent am ZHAW-IVM Institute of Public Management
Chantal Menzi ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am ZHAW-IVM Institute of Public Management
Dieser Beitrag erschien zuerst auf standortentwicklung.ch.